Das rasante Wachstum des weltweiten Datenverkehrs wird nach Einschätzung der Raumfahrtindustrie einen Weltraumboom zur Folge haben. Fachleute erwarten, dass die Übertragung von Internet, Telefon und sonstigen Daten zum Teil in erdnahe Umlaufbahnen verlegt wird. Von den riesigen Satellitenkonstellationen, die meist von US-Firmen geplant werden, erhoffen sich europäische und deutsche Unternehmen gute Geschäfte.
“Das Space-Geschäft wird gewaltig wachsen. Das sagen nicht nur die Weltraum-, sondern auch die Finanzleute”, sagt Bulent Altan, Vorstand bei Mynaric, einem auf Laserkommunikation in All und Luftfahrt spezialisierten Startup im oberbayerischen Gilching. Die US-Investmentbank Morgan Stanley schätzt, dass die Raumfahrtbranche weltweit ihre Umsätze bis 2040 auf eine Billion Dollar verdreifachen könnte. “Die bedeutendsten kurz- und mittelfristigen Chancen könnten sich bei Breitband-Zugang zum Internet über Satellit bieten”, heißt es in einer kürzlich veröffentlichten Studie.
“Die bisherige Bandbreite reicht nicht mehr aus”, so auch Carsten Borowy, Manager beim Satellitenhersteller OHB in Bremen. “Daher kommt die Idee, die ungefähr 300 geostationären Satelliten durch Konstellationen kleinerer erdnaher Satelliten zu ergänzen. Das ist ein Innovationsschub in der Raumfahrt, den wir sehr positiv sehen.” Eine Konstellation ist eine Gruppe von Satelliten, die alle demselben Zweck dienen. Erdnahe Satelliten – im Fachjargon LEO (low earth orbit) genannt – umkreisen unseren Planeten in einer Höhe von weniger als 2000 Kilometern.
Das Unternehmen SpaceX des Elektroautopioniers Elon Musk will mehr als 10.000 Satelliten in die Umlaufbahn schießen. Airbus ist an dem Projekt OneWeb beteiligt, das eine Konstellation von knapp 2000 Satelliten plant. Amazon und Facebook arbeiten an eigenen Projekten, daneben gibt es weitere Vorhaben.
Erster Raketenstart soll noch dieses Jahr stattfinden
“In der Vergangenheit war Satellitenkommunikation TV-Broadcast”, sagt Borowy, der bei OHB die Zukunftsprogramme für Telekomsatelliten leitet. “Ein Satellit überträgt eine Sendung zu einer bestimmten Zeit an mehrere Millionen Haushalte. Mit dem Voranschreiten der Digitalisierung und den Streaming-Diensten reicht das nicht mehr.” Youtube, Netflix, Maxdome und Co. tragen dazu bei, dass der Bedarf an Bandbreite gewaltig wächst: “Weltweit braucht man Millionen Kanäle und nicht mehr nur 300”, sagt Borowy. “Das Spektrum bei den Telekomsatelliten ändert sich hin zu den internetbasierten Diensten.”
Das sieht auch Mynaric-Vorstand Altan so: “Raumfahrtunternehmen werden zu Telekomfirmen, denn der Großteil dieser Satellitenkonstellationen ist für die Datenübertragung gedacht.” Der Raumfahrtingenieur war früher bei SpaceX in führender Position an der Raketenentwicklung beteiligt. Mynaric hofft mit der Datenübertragung per Laserstrahl auf glänzende Geschäfte, denn diese ist schneller als Funk und bietet größere Übertragungskapazitäten. “Wir sind wie ein olympisches Team, das sich gerade auf die Olympiade vorbereitet”, sagt Altan.