Donald Tusk drängt Theresa May: Der EU-Ratspräsident forderte die britische Premierministerin auf, bei den Verhandlungen über den Brexit neue Vorschläge zu unterbreiten. Es gebe vor dem EU-Gipfel ab Mittwoch “keinen Grund für Optimismus”. Für einen Durchbruch seien “neue Fakten” nötig. Er werde May deshalb bei dem Treffen fragen, “ob sie konkrete Vorschläge hat, wie wir aus der Sackgasse zu kommen”.
Gleichzeitig müsse die EU ihre Vorbereitungen für einen Anzeige britischen Austritt ohne Vertrag intensivieren, sagte Tusk. Dies dürfe aber keinesfalls die Bemühungen um eine gütliche Einigung bremsen, betonte der Ratschef. Die Staats- und Regierungschef der EU kommen die nächsten beiden Tagen in Brüssel zusammen. Der Brexit ist das Hauptthema.
Die Verhandlungen über den für 2019 geplanten britischen EU-Austritt waren am Sonntag in eine Sackgasse geraten. Knackpunkt ist immer noch die Frage, wie Schlagbäume und Kontrollen an der künftigen EU-Außengrenze in Irland vermieden werden können.
Irlands Ministerpräsident Leo Varadkar sieht noch Klärungsbedarf bei den Brexit-Verhandlungen. Es falle noch einige Arbeit an, was die Regelung des Personen- und Warenverkehrs an der irisch-nordirischen Grenze nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union angehe, sagte Varadkar am Dienstag im Parlament in Dublin. Er bezog sich dabei auf die Absicherungsklausel (backstop), die die EU im Austrittsvertrag fordert. Nach dieser würde das zu Großbritannien gehörende Nordirland zunächst Teil der Zollunion mit der EU bleiben. So soll vermieden werden, dass nach dem Brexit an Großbritanniens einziger Landgrenze wieder strenge Kontrollen eingeführt werden, die den Personenverkehr und Handel massiv beeinträchtigen würden. Die Grenzfrage ist einer der schwierigsten Knackpunkte bei den Brexit-Verhandlungen.
Europa-Minister Roth: Lage “sehr ernst”
EU-Verhandlungsführer Michel Barnier sagte, die Gespräche mit London bräuchten “mehr Zeit”. May wird die anderen EU-Staats- und Regierungschefs nach Angaben von EU-Vertretern zum Gipfelauftakt vor einem Abendessen am Mittwoch über ihre Position in den Brexit-Gesprächen informieren. Danach verlässt sie das Treffen. Barnier wird dann den verbleibenden 27 Staats- und Regierungschefs seine Einschätzung mitteilen.
Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) bezeichnete die Lage als “sehr ernst”. Alle müssten sich jetzt anstrengen, sagte er in Luxemburg beim Treffen mit seinen EU-Kollegen. “Das ist jetzt kein Spiel”.
Deutschland wolle “einen fairen Deal mit Großbritannien”, betonte Roth. Es müsse aber ein Deal sein, “der die Integrität des (europäischen) Binnenmarktes unangetastet lässt”. Dies sei für die EU “von zentraler Bedeutung”. “Wir sind ja nicht auf dem Viehmarkt.”
“Wir sind nicht an der Stelle, wo wir im Oktober sein wollten”, sagte ein hochrangiger EU-Vertreter in Brüssel. “Es wird nicht einfach sein, eine Vereinbarung zu finden.” Ein bilaterales Gespräch von EU-Ratspräsident Donald Tusk mit May am Mittwoch vor dem Gipfel sei nicht ausgeschlossen.