Jetzt ist es wirklich das Jahr der Frauen in den USA. Nie zuvor haben sich so viele Frauen um ein politisches Amt beworben wie vor den Midterms. Und mehr Frauen als jemals zuvor werden politische Macht in Washington bekommen: Noch immer sind nicht alle Stimmen in einigen knappen Rennen ausgezählt, aber sicher ist, dass von den 435 Sitzen im Repräsentantenhaus mehr als 90 an Frauen gehen. Und mehr als 30 von ihnen wurden neu gewählt.
Das ist vor allen Dingen eine gute Nachricht für die Demokraten. Es sind ihre Kandidatinnen, die am Dienstag erfolgreich waren. Ihnen und ihren Wählerinnen ist es unter anderem zu verdanken, dass die Partei die Mehrheit im Repräsentantenhaus von den Republikanern zurückerobern konnte.
US-Präsident Donald Trump wird es so in den kommenden Jahren schwerer haben zu regieren, da er gezwungen ist, mit einem geteilten Kongress zu arbeiten. Das wird das politische Klima in Washington und die tief gespaltene Gesellschaft nicht über Nacht verändern und versöhnen. Auch wenn Nancy Pelosi, Minderheitsführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus, am Wahlabend euphorisch davon sprach, dass “ein neuer Tag in Amerika beginnen werde”. Doch Trump hat in den zwei Jahren seiner Präsidentschaft konsequent gezeigt, dass er auf Spaltung statt auf Versöhnung setzt. Es ist nicht davon auszugehen, dass er daran etwas ändern wird.
Die Polarisierung wird nach diesen Kongresswahlen so nicht einfach verschwinden, der neue Tag nicht sofort anbrechen. Aber die Demokratische Partei sollte in Opposition zu Trump nicht länger allein dessen Verfehlungen und Unmöglichkeiten aufzählen und auf ein nicht unbedingt realistisches Amtsenthebungsverfahren setzen. Das wird ihnen in einer Präsidentschaftswahl 2020 nicht den Sieg bringen, egal ob der Kandidat der Republikaner Trump heißt oder nicht.
Ein echter Gegenentwurf zu den alternden Republikanern
Der Weg zu einer Rückeroberung des Weißen Hauses führt über Ayanna Pressley, Mickie Sherrill, Rashida Tlaib, Abigail Spanberger, Alexandria Ocasio-Cortez. Ziemlich sicher wird keiner dieser Namen auf einem Präsidentschaftsticket für 2020 stehen, aber es sind einige der Frauen, die die Zukunft der Partei gestalten werden und die die Zukunft der Demokraten sein müssen, wollen sie ein wirklicher Gegenentwurf zu einer rückwärtsgewandten und vor sich hin alternden Republikanischen Partei sein.
Ayanna Pressley ist die erste Afroamerikanerin, die für Massachusetts ins Repräsentantenhaus einzieht. Rashida Tlaib ist eine von zwei muslimischen Frauen, die künftig dort vertreten sein wird. Alexandria Ocasio-Cortez ist noch keine 30 und hat mit für amerikanische Verhältnisse extrem linken Ideen Wahlkampf gemacht. Mickie Sherrill ist eine ehemalige Hubschrauberpilotin der US-Marine und wird künftig für New Jersey als erste demokratische Abgeordnete ihres Bezirks seit mehr als zehn Jahren in Washington sein. Und Abigail Spanberger schlug in einem Bezirk in Virginia, der 2016 für Donald Trump gewählt hatte, ihren Kontrahenten von der Tea Party.
428 Demokratinnen haben laut dem Center for American Women and Politics der Universität Rutgers in diesem Jahr bei den Kongresswahlen kandidiert, verglichen mit nur 162 Republikanerinnen. 210 Demokratinnen und 63 Republikanerinnen gewannen ihre Vorwahlen und wurden Kandidatinnen. Darüber hinaus haben noch nie mehr Frauen Geld gespendet, das Center for Responsive Politics schreibt, dass Frauen mehr als 300 Millionen Dollar an demokratische Kandidatinnen und Kandidaten gespendet haben, Republikaner erhielten lediglich 90 Millionen.
Frustration über Trump hat Frauen mobilisiert
Es ist Donald Trump, der die politischen Ambitionen von vor allen Dingen liberalen Frauen ausgelöst hat. Die Website vox.com schätzt, dass sich nach Trumps Amtseinführung im Januar 2017 mehr als 4,2 Millionen Frauen landesweit an Protestmärschen gegen den Präsidenten beteiligt haben. Aus einer Protestbewegung muss noch lange kein Erfolg entstehen. Die Midterms zeigen jedoch, dass sich die Frustration über Trumps Wahlsieg zum Handeln und zu politischer Macht geführt hat.
Die progressive Organisation Emily’s List unterstützt explizit Frauen im Wahlkampf, die sich für das Recht auf Abtreibung einsetzen. Seit der Wahl Trumps hat Emily’s List nach eigener Aussage mehr als 40.000 Anfragen von Frauen bekommen, die sich um ein politisches Amt bewerben wollten. Im Wahlzyklus 2016 waren es nur 920. Diese neue politische Frauenbewegung speist sich dabei nicht nur aus dem Protest gegen Donald Trump. Die #metoo-Bewegung, die kontroverse und umkämpfte Benennung des konservativen Richters Brett Kavanaugh, dem mehrere Frauen sexuelle Übergriffe vorwerfen, an den Obersten Gerichtshof, der ideologische Kampf um Frauenrechte – all das hat Frauen landesweit mobilisiert.
Doch die Kandidatinnen besetzen nicht nur vermeintliche “Frauenthemen” wie Bildung, Erziehung und Familie. Gesundheitsversorgung, Mindestlohn, Waffenrechte, Kernthemen der Demokraten, waren die Schlagworte in vielen Wahlkämpfen. “Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir Waffengesetze haben, die garantieren, dass es sicher ist, in die Schule zu gehen, ins Kino, oder in die Moschee oder Synagoge”, sagte etwa Mickie Sherrill in ihrer Siegesrede.
Die Demokraten brauchen die Basis
Noch immer werden Sherrill und die anderen Abgeordneten jedoch in der Minderheit sein, Männer werden den Kongress weiterhin dominieren. Das andere Amerika, das Trump-Amerika, es ist noch da, der Senat nach wie vor von den Republikanern dominiert. Der neue Tag, den Nancy Pelosi in der Wahlnacht zitierte, er wird auch in dieser Hinsicht nicht sofort anbrechen. Die 78-Jährige war die erste Frau in der Geschichte der USA, die Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus war. Mit der zurückgewonnenen Mehrheit wird sie dieses Amt wieder anstreben. Nicht alle Abgeordneten wünschen sich Pelosi in dieser Funktion. Sie ist Teil des demokratischen Establishments, so wie es auch Hillary Clinton ist.
Mehrere Umfragen zeigen, dass Frauen insgesamt und vor allen Dingen junge Frauen eher geneigt sind, demokratisch zu wählen.
Darin wird die Herausforderung für die Demokraten bestehen: Konsequent auf eine Modernisierung der Partei zu setzen – was auch bedeuten sollte, mutig zu sein und nicht Nancy Pelosi zur Mehrheitsführerin zu machen. Die Midterms haben gezeigt, dass die Demokraten es schaffen können, ihre Basis zu mobilisieren, die brauchen sie zwingend für einen Erfolg bei der Präsidentschaftswahl 2020. Aber auch immer noch die Wechselwähler, auf die es auf nationaler Ebene auch immer noch ankommt. Zwei Jahre sind vermeintlich viel Zeit, um eine Mischung aus linken Ideen und klassischen demokratischen Werten auf eine gute Kandidatin oder einen guten Kandidaten zuzuschneiden.
Doch in den USA gehen Wahlkämpfe mittlerweile fast nahtlos ineinander über. Der Kampf um die Präsidentschaftskandidatur 2020 hat mit dem Ende der Midterms begonnen. Die Website axios.com hat kurz vor den Kongresswahlen registrierte Wähler befragt, gegen welche mögliche Präsidentschaftskandidatin Trump – von Elisabeth Warren über Hillary Clinton bis zu Oprah Winfrey – eine Chance hätte: gegen keine einzige. Für die Demokraten kann all das nur heißen, schnell eine starke Frau als Gegenspielerin zu Donald Trump aufzubauen.