Beim EU-Sondergipfel zur Besetzung von Spitzenposten sollen am frühen Morgen nach stundenlanger Unterbrechung wieder alle 28 Staats- und Regierungschefs zusammengerufen werden. Der Beginn der Sitzung war für 7.00 Uhr geplant, bestätigten mehrere Diplomaten in Brüssel.
Der Gipfel selbst war seit 23.00 Uhr unterbrochen. Viel Zeit zum Schlafen blieb für Politiker und ihre Mitarbeiter aber nicht: EU-Ratschef Donald Tusk traf während der Nacht alle 28 Teilnehmer einzeln, um ein Personalpaket zu schnüren. Laut offiziellem Zeitplan sollte das Treffen der Staats- und Regierungschefs eigentlich zu diesem Zeitpunkt längst beendet sein. Nach Abschluss der Beratungen war eine Pressekonferenz geplant, bei der die Ergebnisse des Gipfels vorgestellt und erläutert werden sollten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen wollen bei dem Sondergipfel in Brüssel vor allem die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker regeln. Daneben geht es um die Besetzung weiterer Spitzenposten wie etwa das Amt des Außenbeauftragten oder die Nachfolge von EZB-Chef Mario Draghi. Die Beratungen gelten als äußerst kompliziert: Neben nationalen Befindlichkeiten müssen die EU-Spitzenpolitiker auch auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis sowie regionale und parteipolitische Erwägungen einigen.
Umstrittener Kompromiss in Osaka
Ein Personalvorschlag, den Merkel mitgetragen hatte, war auf heftige Kritik gestoßen. Die Kanzlerin hatte sich im Rahmen einer Kompromisslösung dafür ausgesprochen, nicht den CSU-Politiker Manfred Weber, sondern den niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans zum EU-Kommissionschef zu ernennen. Weber und Timmermanns sind die beiden Spitzenkandidaten der größten Fraktionen im EU-Parlament.
Merkel hatte sich am Rande des G20-Gipfels im japanischen Osaka zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Spaniens sozialistischem Ministerpräsident Pedro Sánchez und dem niederländischen Ministerpräsident Mark Rutte auf Timmermans als nächsten Kommissionschef verständigt. Der konservative Kandidat Weber hatte zuvor beim letzten EU-Gipfel keine Unterstützung bekommen.
Dieser neue Personalvorschlag stieß auf vehemente Kritik: Die Unterstützung für Timmermans “wäre ein sehr schwerer, sogar historischer Fehler”, schrieb etwa die ungarische Europaministerin Judit Varga an EVP-Präsident Joseph Daul. Damit würde die EVP, die als stärkste Kraft aus den EU-Wahlen hervorgegangen sei, ihren Anspruch auf Führung an eine andere Partei abgeben.