Die Staats- und Regierungschefs wollen in Brüssel den künftigen Kommissions- und den Ratspräsidenten sowie den Außenbeauftragten der Europäischen Union bestimmen. Über den EZB-Präsidenten solle erst später entschieden werden, hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schon vor Beginn des Treffens gesagt. Am Ende müsse es eine ausgewogene geografische Mischung geben sowie eine gerechte Verteilung zwischen Männern und Frauen.
Die Suche nach den neuen EU-Vertretern gestaltet sich aber schwierig: Teilnehmer des Treffens in Brüssel unterbrachen in der Nacht zu Montag ihre Beratungen, nachdem sie bereits stundenlange Gespräche über das Personalpaket geführt hatten. Weil sich die 28 EU-Staats- und Regierungschefs bislang nicht auf einen Kandidaten für den EU-Kommissionspräsidenten einigen konnten, setzt EU-Ratspräsident Donald Tusk nun auf Einzelgespräche.
Timmermans soll es nicht werden
Nach Aussagen von EU-Diplomaten ist die von den großen EU-Regierungen angedachte Kompromisslösung mit dem niederländischen Sozialdemokraten und bisherigen EU-Kommissionsvize Frans Timmermans vom Tisch. Widerstand gegen die auch von Kanzlerin Angela Merkel unterstützte Lösung kam vor allem von Osteuropäern der Visegrad-Gruppe, aber auch aus den Reihen der konservativen EVP. Auch eine Vertagung der Beratungen auf Mitte Juli wird deshalb nicht mehr ausgeschlossen.
Bereits am Rande des G-20-Treffens im japanischen Osaka hatten die Regierungschefs aus Deutschland, Spanien, Frankreich und den Niederlanden eine Kompromisslösung mit Timmermans vorskizziert. Merkel hatte zudem bereits vergangene Woche mit CSU-Chef Markus Söder, der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, dem EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber sowie dem EVP-Präsidenten Joseph Daul darüber gesprochen, ob man Weber zugunsten eines Kompromisses einen anderen Job anbieten könne – etwa den des Parlamentspräsidenten oder den des Kommissions-Vize.
Dem Wahlsieger das Zugriffsrecht
Dies stieß jedoch bei etlichen EVP-Politikern auf Widerstand, weil die EVP stärkste Kraft bei der Europawahl geworden war. “Wer die Wahl gewinnt, hat das erste Zugriffsrecht”, forderte etwa EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, ein Christdemokrat. Bereits in der Vorbesprechung der EVP-Parteien hatte es Kritik an der Timmermans-Lösung gegeben.
Regierungschefs der anderen Parteienfamilien machten postwendend die EVP für die Schwierigkeiten auf dem Brüsseler Treffen verantwortlich. Dazu kam massiver Widerstand der Ministerpräsidenten der sogenannten Visegradstaaten Polen, Ungarn und Tschechien. Diese lehnen Timmermans als ungeeignet ab mit der Begründung, er verstehe Osteuropa nicht. Hintergrund ist vor allem, dass der Kommissionsvize hinter den Vertragsverletzungsverfahren der Kommission wegen Rechtsstaatsverstößen etwa in Polen und Ungarn steht.
Hilft nur noch Vertagen?
In den nächsten Stunden soll eine Entscheidung fallen, ob weiter beraten wird oder ob die Verhandlungen vertagt werden. Eigentlich hatten Merkel und andere Regierungen darauf gedrungen, das Personalpaket vor dem 3. Juli zu schnüren, wenn das europäische Parlament einen neuen Präsidenten wählt. Denn auch dieses Amt soll in die Postenverteilung einbezogen werden.
Der Sondergipfel war nötig geworden, weil es bereits auf einem ersten EU-Gipfel keine Einigung gegeben hatte. Ein Grund ist, dass Christdemokraten und Sozialdemokraten auf den eigenen Kandidaten beharrten und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sowie liberale Regierungschefs das Spitzenkandidatenprinzip insgesamt abgelehnt hatten. Die beiden großen Parteienfamilien der Christ- und Sozialdemokraten bestanden jedoch auf eben diesem Prinzip.